Hi Leute,
wir schreiben am Mittwoch eine Gedichtinterpretation über ein Gedicht aus dem 20. Jhdt. Bin grade am Üben und habe die "Großstadtliebe" interpretiert.
Könntet Ihr euch das bitte mal durchlesen und mir Verbesserungsvorschläge geben?
Danke schon im Voraus!
Gedichtinterpretation „Großstadtliebe“
„Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit“, so eine Strophe aus dem bekannten Song „Irgendetwas bleibt“ von Silbermond. Diese „Sicherheit“ hält die Dichterin Mascha Kaléko für äußerst wichtig in einer Liebesbeziehung. In ihrem Gedicht bringt sie die Gegendarstellung zu einer für sie ausgeglichenen und perfekten Beziehung.
In dem Gedicht „Großstadtliebe“ beschreibt das lyrische Ich die Entwicklung einer Liebesbeziehung zweier Menschen vom ersten Aufeinandertreffen bis zur Trennung. Das Gedicht gliedert sich in fünf Strophen á fünf Versen. In der ersten Strophe wird das Kennenlernen des Paares beschrieben. Aus der flüchtigen Bekanntschaft wird nach gegenseitigem Duzen durch ein „Irgendwas“ (Z.4), dies kann Verliebtsein, gegenseitige Sympathie oder Verlangen sein, eine Beziehung. In der zweiten bis zur vierten Strophe erfolgt eine Beschreibung über das Verhalten des Paares. Das Paar „hat sich lieb“ (Z.7) und beide freuen sich auf den Abend, an dem sie sich wiedersehen und sich gegenseitig ihre „Plagen“ (Z.9) und ihre „Freuden“ (Z.10) erzählen. Wenn sie nicht persönlich miteinander reden, telefonieren sie (Z.11). Die Treffen finden in einer Großstadt statt, da zu Hause kein Platz ist; denn Großstadtwohnungen sind häufig eng bemessen. Das Paar geht schweigend spazieren, wobei es das Lästern und Reden anderer Leute über ihre Person (Z.15) ignoriert und „still und unberührt“ (Z.16) dahingeht. Das Küssen findet an abgelegenen Plätzen wie „auf stillen Bänken“ (Z.27) statt und nur sonntags ist Sex möglich (Z.19). Es folgt eine rhetorische Frage des lyrischen Ichs wer denn an die Zukunft denke (Z.20). Weiter sind die Gespräche des Paares „konkret“ (Z.21), sachlich und nüchtern. Es wird wenig über die Gefühle füreinander gesprochen, deswegen findet beiderseits selten ein Rotwerden statt. (Z.21). Die letzte Strophe bildet einen Kontrast zu den Strophen davor. Nun wird beschrieben, was das Liebespaar nicht tut. Es schenkt sich zum Beispiel keine Blumen (Z.22) und schickt auch keinen Pagen ins Haus (Z.23). Wenn ein Partner genug vom anderen hat, beendet er die Beziehung per Reichspost mit dem Wort „aus“ (Z.26). Beim ersten Lesen des Gedichts fällt dem Leser sofort das unpersönliche „Man“ auf, mit dem das Liebespaar gemeint ist. Auch unpräzise Zeit-und Ortsangaben wie „irgendwo“(Z.1), „irgendwann“(Z.2) und „dann und wann“ (Z.17) fallen sofort ins Auge. Die Autorin will damit jedem Leser die Möglichkeit geben, sich mit dem Liebespaar identifizieren zu können. Das gesamte Gedicht ist sehr sachlich und nüchtern geschrieben. Es liest sich durch den monotonen Rhythmus und den Kreuzreim sehr flüssig, macht insgesamt jedoch einen recht eintönigen Eindruck. Damit will die Autorin die sachliche und nüchterne Liebesbeziehung des Paares verstärkt ausdrücken. Die Beziehung der beiden scheint nicht aus Liebe aufgebaut zu sein. Ein „Irgendwas“ (Z.4) verleitet die beiden dazu zusammenzubleiben. Dies muss nicht zwingend Liebe sein, sondern kann zum Beispiel aus Einsamkeit und dem Wunsch nach einem Partner korrespondieren. Das Paar „hat sich lieb“ (Z.7); es ist jedoch nie von Liebe die Rede. Das Sich-Liebhaben kennt man heutzutage vor allem in platonischen Freundschaften und in der Familie. Das Freuen auf das Wiedersehen des Partners am Abend spiegelt auf subtile Weise das Nichtvorhandensein der Liebe wider. Wenn man verliebt ist, nimmt man das „Grau der Tage“ (Z.7) gar nicht mehr wahr, sondern sieht alles durch die berühmte rosarote Brille. Die „Alltagssorgen und die Plage“ (Z.9) müssten demnach im Hintergrund verschwinden, was im Gedicht nicht der Fall zu sein scheint. Alltägliche Sorgen und Freuden, die aber nicht die primäre Gefühlswelt des Partners betreffen, dominieren die Kommunikation in der Beziehung. Über die Gefühle füreinander wird nur sehr selten geredet, da kein Rotwerden stattfindet, welches ein Zeichen für Scham und Unsicherheit ist, das oft zutage tritt, wenn man den Partner noch nicht so gut kennt und ihm nicht vertraut. Am Parallelismus „Man teilt…Man teilt…“ (Z.9f) wir deutlich, dass alltägliche Banalitäten häufiger das Gesprächsthema des Paares ist. Tiefgründige Gespräche sind das A und O einer jeden ausgewogenen Beziehung, deswegen ist die Liebesbeziehung des Paares im Gedicht als oberflächlich und unpersönlich anzusehen. Dies offenbart sich dem Leser vor allem daran, dass sich das Paar aufgrund der Enge der Wohnung nicht zu Hause trifft, sondern beinahe heimlich „im Gewühl der Großstadtstraßen“ (Z.12), in dem sie als anonymes Paar leicht verschwinden können. Das Paar will den Partner offensichtlich nicht in das persönliche Umfeld einlassen und ihn z.B. der Familie vorstellen. Das Küssen findet ab und zu an abgelegenen Plätzen wie zum Beispiel auf einer Parkbank (Z.17) oder im Boot auf einem Gewässer (Z.17) statt. Dies lässt darauf schließen, dass das Paar ihre Beziehung der Öffentlichkeit nicht preisgeben will, was dazu führt, dass sie diese schon fast heimlich ausleben. Keiner der beiden denkt an eine gemeinsame Zukunft, deswegen die rhetorische Frage des lyrischen Ichs: „Wer denkt daran an später noch zu denken?“ (Z.20). Sie leben ihre Beziehung im Hier und Jetzt, genießen die gemeinsamen Stunden außerhalb ihres Zuhauses (Z.13) und halten so gleichzeitig eine Distanz zum Partner, die ihnen ein Maximum an Sicherheit bietet, auch weil sie ihre Gefühle nicht offenbaren. Wenn einer der Partner genug von den gemeinsamen Unternehmungen und Küssen (Z.24) – hier ist nicht vom Partner und dessen Eigenarten, sondern von gemeinsamen Aktivitäten die Rede - kann man die Beziehung unkompliziert mit dem „Wörtchen:<aus>“ (Z.26) beenden. Die Überschrift „Großstadtliebe“ beschreibt den Inhalt des Gedichts sehr passend. In einer Großstadt leben viele Menschen auf engstem Raum anonym zusammen. Das Leben ist schnell, chaotisch und stürmisch. So ist auch die Beziehung des Paares zu sehen; äußerst kurzlebig, eine flüchtige Bekanntschaft aus der Laune heraus, aber ebenso schnell wieder beendet. Discoflirts, One-Night-Stands, Internetbekanntschaften –dies sind nur ein paar Beispiele aus unserer Zeit. Mascha Kaléko greift genau diese Problematik einer solchen anonymen, oberflächlichen Liebesbeziehung auf. Kenne und liebe ich meinen Partner wirklich aus reinstem Herzen oder bin ich nur mit ihm zusammen, weil ich gerade einsam bin? Kann ich schon morgen mit ihm abschließen, falls unsere Beziehung scheitern sollte? Bin ich mit einer Liebesbeziehung zufrieden, wie sie im Gedicht dargestellt ist? Mascha Kaléko ist der Meinung, dass langanhaltende Beziehungen mit Wertevorstellungen von Liebe und Treue in unserer schnelllebigen Zeit, in der man sich nicht mal seines Arbeitsplatzes sicher sein kann, immer mehr an Bedeutung gewinnen und sollten. Jeder Leser soll die Qualität, den Wert und vor allem die Sicherheit einer solchen Beziehung wieder schätzen lernen und können.
PS: Bin in der 12. Klasse