Aufbau von "Tauben im Gras"(Wolfgang Koeppen)

  • Guten Abend zusammen,

    nun erster Beitrag direkt erst mal eine super spannende Frage. Denn ich muss in der nächsten Zeit ein Referat über den Aufbau von "Tauben im Gras" halten.
    Nun komme ich da leider nicht weiter, da es im Internet zwar viele Informationen gibt, aber leider ohne sinnvolle Gliederung für mich. Mein Problem ist nun, das
    zum Thema Aufbau Themen wie Stilistik, Struktur, Intertextualität gehören, aber was nun für ein 10-minütiges Referat wichtig ist, das erkenne ich noch nicht.

    Könnt ihr mir einige Themen sagen, die auf jeden Fall in meinem Referat vorkommen sollten? Denn wenn ich wenigstens schon einmal THemen hätte, könnte ich die
    schon erarbeiten.

    Wäre dankbar für ein paar Vorschläge.

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    Hier schon mal ein Anfang


    Tauben im Gras
    (Wolfgang Koeppen)
    1951, aus Koeppens „Trilogie des Scheiterns“

    Epoche und historischer Kontext:

     Epoche: „Vergangene Gegenwart“ (1930-1990), → Aufschwung, Aufbruch, Krise

     Nachkriegs-/Trümmerliteratur, knüpft stilistisch an die Moderne an:
     zeitgenössische Diskussion über die Überwindung faschistischer Denkmuster, Scheitern von Restaurierung und Denazifizierung
     Analyse und Darstellung der Gesellschaft
     inhaltlich:
     Bedrohung des Menschen, Verdrängung der Vergangenheit (Kritik durch Schriftsteller, „Gruppe 47“)
     Themen: Sinnlosigkeit des Kriegs, Erfahrungen von Menschlichkeit im Krieg, Wiederaufstieg alter Nazis, Bedeutung von Unternehmen und Kirche
    → Kriegsverarbeitung
     stilistisch:
     Parataxe (gleichwertige Aneinanderreihung von Hauptsätzen)
     Intertextualität (Bezugnahme auf andere Texte, TiG → James Joyce, Ulysses
    → fragmentarisch, verwirrend
     realistische Schreibweise
    → Leser wird aktiv, eigene Urteilsbildung gefordert

     historischer Kontext:
     Nachkriegsdeutschland, DE in Trümmer, vier Besatzungszonen
    → Deutschland im Zentrum des Ost-West-Konflikts!
    → ständige Bedrohung (Aufrüstung, neuer Krieg)
     Marshallplan + Währungsreform → Wirtschaftswunder

     „Stunde 0“:
     Hunger nach neuer Literatur, Bedürfnis nach Wahrheit + Neuanfang
     Misstrauen in die missbrauchte Sprache (Propaganda)
     Erlebtes durch Worte ausdrücken → Schwierigkeit

     Zeitroman:
     Analyse der politischen, sozialen, ökonomischen, kulturellen Situation
     Zeitkritik: gescheiterte Restaurierung, Kommunikationslosigkeit, Gewalt


    Titel:
     Zitat nach Gertrude Stein („Pigeons on the grass alas“; alas=ach), Edwin bezieht sich auf G. Stein
     „ach“ (suggeriert Leid) geht in der Übersetzung verloren, Leid ist jedoch präsent
     Orientierungslosigkeit, Gefährdung der Menschen
     Menschen lassen sich wie „Tauben im Gras“ jederzeit aufscheuchen
    → Rastlosigkeit, Heimatlosigkeit, Unzugehörigkeit
     Tauben symbolisieren den Zufall

    Figurenkonstellation:

    Inhalt + Figuren:

     Schicksal vieler verschiedener Menschen im Nachkriegsdeutschland
     ein einziger Tag (20.02.1951, vermutlich in München)
     Verbindungspunkte der Einzelgeschichten durch Ort, Zeit, Gegenstände
     Handlung zielt auf Vortrag von Mr.Edwin → Vortrag ist wirkungslos, keine Aufmerksamkeit des Publikums

     Philipp:
     scheiternder Schriftsteller mir fehlendem Selbstbewusstsein, innerlich zerrissen, nachdenklich, unzugehörig, scheu, faul, antriebslos → symbolisiert die gescheiterte Existenz!
     Krieg: Erstroman beiläufig erschienen
     fühlt sich überflüssig, unfähig, feige → Isolation von der Gesellschaft!
     Autobiografische Züge Koeppens (u.a. verbotene Veröffentlichung von Literatur aus dem Dritten Reich)

     Emilia:
     behütet + verwöhnt aufgewachsen, reiche Erbin (Erbe nach dem Krieg wertlos!)
    → will neue Situation (Armut) verdrängen (→Alkoholabhängigkeit)

     Philipp und Emilia:
     ambivalente Beziehung: E. Liebt P., aber hasst sein armseliges Leben
     Hassliebe: machen sich gegenseitig kaputt, behindern sich beim Vorankommen, gönnen sich nichts

     Carla:
     Sohn aus 1. Ehe: Heinz; ungewollt schwanger von Washington → will abtreiben
     Angst vor Fremdenhass + Konflikt mit Mutter (Behrend) → verzweifelt
     träumt von amerikanischem Leben wie in Zeitungen

     Washington:
     farbiger, amerikanischer Soldat; Athlet; Musiker
     fürsorglich gegenüber Carla, gegen Abtreibung, will Familie gründen
     Angst vor Diskriminierung (→Heinz mag W., aber leugnet ihn)
     Traum von Restaurant in Paris (mit Carla), in dem jeder erwünscht ist

     Frau Behrend:
     wurde während des Kriegs von Mann verlassen, Mutter von Carla
     war früher erfolgreich/angesehen → will Vergangenheit zurück
     rassistisch, egoistisch, ignorant → gegen Carlas Beziehung

     Dr. Behude:
     Arzt; spendet Blut um an Geld zu kommen (Patienten zahlen unregelmäßig)
     Patienten: Schnakenbach, Messalina, Philipp (→ hält Emilia für psych. Krank)
    → Bindeglied zwischen Charakteren

     Alexander:
     Filmschauspieler, Frauenheld, selbstironisch
     hinter Filmfassade: verlebter, im Privatleben versagter Mann
    → Kompensation der inneren Leere durch Schlaf

     Messalina:
     verehrt Alexander
     schrilles Auftreten, früher Mauerblümchen (eig. immer noch schüchtern), schüchtert Mitmenschen ein, „Dame der Gesellschaft“

     Messalina + Alexander:
    - gemeinsame Tochter Hillegonda (hat strenges Kindermädchen Emmi)

     Mr. Edwin:
     amerikanischer Schriftsteller, verwirrt, unsicher, fehlendes Selbstvertrauen
     will mit Vortrag etwas bewegen → erreicht aber sein Publikum nicht
     autobiografische Züge Koeppens!

    Aufbau und sprachliche Besonderheiten:

     Rahmen: Prolog + Epilog (Situationsskizze)
     viele einzelne Abschnitte (Aufgrund von Formatierung und ähnlichem Inhalt nicht deutlich zählbar, vermutlich 85 Stück):
     meistens kurz, wenig lange Abschnitte; Darstellung ist meist chronologisch
     Mittelpunkt: Protagonist/Handlungsgruppe; Einheit von Handlung, Ort und Zeit
     assoziative Verknüpfungen (roter Faden), durch Worte, Ort, Zeit, Sachen
    → Funktion: Orientierung durch Wiedererkennung, Leser gewinnt Überblick über ein Panorama, taucht in das Lebensgefühl ein
    → auf den Leser wirken Bewegungen, die auf das Ende zu drängen

     Montagetechnik: (z.T. filmische Mittel)
     spiegelt das zersplitterete Lebensgefühl wieder
     durch verschiedene Sichtweisen ergibt sich dem Leser ein umfassendes Bild
     Schlagzeilen:
     Ausweitung der zeitlichen Verhältnisse; überzeitliche Tiefe (mehrere Generationen); Zeit wird entkonkretisiert
    → Entkonkretisierung zugunsten Koeppens Beschreibung der Zeit als „Urgrund unseres Heute“
     Rückblende und Bewusstseinsströme:
     verleihen der kurzlebig erzählten Zeit eine innere Weiten- und Tiefendimension; Erinnerung, Vergangenheut fungieren als Urgrund der Tagesgegenwart


     Satzbau und Stilmittel:
     Wiederholungen, Parallelismus, Inversion, Variationen, Parataxe
    → Text wirkt rhythmisch und dynamisch, vermittelt Stimmungswert
     Assoziationsketten → Gedankenketten, drängen Darstellung vorwärts
     Stil wechselt teilweise zwischen Satzbaumustern und Sprachmelodien

     Zeit:
     erzählte Zeit = 18 Stunden; erzählte Zeit ≈ Erzählzeit; szenischer Charakter

     Ort:
     öffentliche Orte (Treffpunkte: Unterhaltung, Konsum, Kultur)
     gegenübergestellte Konzepte: Negerclub + Bräuhaus
    → Orte entkonkretisiert

     Personen:
     gewinnen erst allmählich an Gestalt, Bedeutung, Charakter
     Einfluss des Krieges: Leiden an Folgen, ständige Bewegung um voran zu kommen, alle auf eine Art gescheitert
     Lebensgefühl: einsam und von Angst beherrscht, Angst steuert das individuelle und kollektive Verhalten
     Passivität: Personen handeln nicht selbst, es wird mit ihnen gehandelt, Angst und Scheitern bilden den melancholischen Grundton
     Verknüpfungen: durch Leid verknüpft, alle leiden an Traumatisierung; der Krieg hat die Biografien diskontinuierlich in Vergangenheit und Gegenwart aufgespalten;
    unterschiedliche Profilierung sorgt für Repräsentanz einer Nachkriegsgesellschaft
     Utopie: Versuche der Grenzüberschreitung in den Bereichen Kunst und Liebe, Scheitern an Markt, Kommerz, Vorurteilen, Ressentiments


    »»» ENTKONKRETISIERUNG von Ort, Zeit & Personen:

     Scheitern ist allgemeiner, individueller, gesellschaftlicher Art
     Scheitern ist gegenwärtig, hat Ursprünge in Geschichte und Politik
     Scheitern ist universeller Art, Zeitgeist und Philosophie zeigen sich darin


    Erzählperspektive:
     insgesamt auktorial: Erzähler behält den Überblick
     an vielen Stellen „erlebte Rede“ → tiefer Eindruck in das Innenleben der Figuren

    Interpretationsansätze/Intention:
     Koeppen wollte einen Tag seiner Zeit einfangen und beschreiben
     Beschreibung des Allgemeingültigen, Einfangen des allgemeinen Geistes der Zeit
     K. wollte den „Urgrund des Heute“ beschreiben
    → Wirklichkeitsbeschreibeung
     Koeppen geht nicht von „Stunde 0“ aus, vielmehr von Kontinuität der Geschichte
    → fragt nach dem „Urgrund unseres Heute“
    → orientiert sich an literarischer Technik des Bewusstseinsstrom
     Koeppen zeigt als erster ein präzises Bild der Nachkriegsgesellschaft!

     Kontinuität der Vergangenheit → zerstörerische Kräfte wirken fort!
     alle Personen sind Scheiternde; Krieg und Gewalt können wieder ausbrechen
     Hoffnungsträger sind Kunst und Liebe, unterliegen jedoch dem Zeitgeist, den historischen und gesellschaftlichen Kräften

    → Selbstverständnis Koeppens:
     Mr. Edwin und Philpp (und Koeppen!) stehen für die Welt des Geistes und der Kultur
    → teilweise Identifikation
     Schriftsteller waren einsam und vereinzelt mit hoher Distanz zur Gesellschaft und in Isolation

     „Tauben im Gras“ → ein Zeitroman:
     Figuren und Handlung verlieren an Konkretisierung → Darstellung der allgemeinen Situation!


    Vergleichsaspekte mit anderer Unterrichtsliteratur:
     Mario und der Zauberer
     Identifikation des Autors mit einzelnen Charakteren
     Faschismus
     Woyzeck:
     Liebesbeziehung(en)
     Hilflosigkeit des Einzelnen im Gesellschaftsgefüge
     Traumnovelle:
     Liebesbeziehungen
     Verdrängung


    lg.

    Vempi123

    2 Mal editiert, zuletzt von Vempi123 (12. Dezember 2012 um 16:29)