Erörterung - Argumentation mangelhaft

  • Hallo, ich musste eine Erörterung zu folgender Aussage schreiben:

    "Die Demokratie, sagte Winston Churchill, sei eine sehr mangelhafte Staatsform. Es gebe nur keine bessere. Sie ist daher nicht ersetzbar. Eine direkte Bürgerbeteiligung wäre eine solche Verbesserung (...). Es ist eine Idee, deren Zeit reif ist."

    Diskutieren Sie diese Aussage.

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    Ich habe leider eine sehr mangelhafte Erörterung abgegeben, und wollte diese nun verbessern. Ich hatte einige sehr schwammige Beispiele formuliert, und das ist nach wie vor mein Problem. Laut meiner Lehrerin fehlt meinen Argumenten die Überzeugungskraft, und stellt eine reine Gedankenspielerei dar.

    Ich poste nun die Gliederung, und vorerst einen kleinen Teil der Erörterung. Sobald ich die anderen Teile bearbeitet habe, werde ich sie hinzufügen. Ich hoffe ich bekomme ein paar Anregungen zu meiner Erörterung.

    Vielen Dank schonmal im voraus an alle.

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    (Gliederung)

    A) Derzeit steht im Mittelpunkt vieler öffentlicher Diskussionen die Frage, ob das Instrument der direkten Bürgerbeteiligung am politischen Prozess eine Bereicherung für die Demokratie darstellt. Diese Diskussion bewegt mich dazu, die Frage, "ob die Zeit reif ist, eine direkte Bürgerbeteiligung einzuführen", näher zu erörtern.

    B) Ist die Zeit reif für eine direkte Bürgerbeteiligung?

    I.) Welche Vorteile hat eine direkte Bürgerbeteiligung?

    1.) Vorteile für die Gesellschaft

    a) der Wähler gewinnt durch die aktive Teilnahme mehr Vertrauen in die Politik

    b) der Wähler steigert auf Grund der aktiven Teilnahme sein politisches Verständnis

    2.) Vorteile für die Politik

    a) die Regierung kann ihre Grundsätze anhand der Bürgerentscheide optimieren

    b) das politische System gewinnt eine weitere Gewalt

    II.) Welche Nachteile hat eine direkte Bürgerbeteiligung?

    1.) Nachteile für die Gesellschaft

    a) der Wähler wird durch die Komplexität politischer Entscheidungen überfordert

    b) soziale Konflikte nehmen auf Grund von Bürgerentscheiden zu

    2.) Nachteile für die Politik

    a) politische Kapazitäten werden für die Vermittlung das Sachverhaltes der Volksentscheide stark beansprucht

    b) wichtige politische Reformen können durch das Veto der Bürger im Ansatz scheitern


    C) Plebiszitäre Elemente sind grundsätzlich sinnvoll, gefährden aber die Handlungsfähigkeit der Regierung.


    (Einleitung)

    Schon zu Zeiten der Weimarer Republik gab es die direkte Bürgerbeteiligung zu politischen Fragen, den so genannten Volksentscheid, auf staatlicher Ebene. Nach dem Untergang der Weimarer Republik und der darauf folgenden Nationalsozialistischen Diktatur finden wir heutzutage jedoch dieses Instrument nur noch auf Länder-Ebene. Seit einigen Jahren häufen sich die Volksentscheide zu politischen Fragen innerhalb der Bundesländer. Folglich wird nun diskutiert, ob das Instrument der direkten Bürgerbeteiligung in Bezug auf bundesstaatliche Fragen wieder eingeführt werden soll. Ist die Zeit reif für die Wiedereinführung einer direkten Bürgerbeteiligung?

    (Argument 1a)

    Immer wieder hört man Stimmen seitens der Wähler, dass sie kein Vertrauen in die politische Elite hätten. Dieser Vertrauensverlust wird von vielen Experten damit begründet, dass in der Bundesrepublik Deutschland das indirekte Demokratische System das Vertrauen in die Politik schwächt. Das indirekte Demokratische System kennzeichnet sich grundlegend dadurch, dass der Bürger lediglich zu Beginn einer Amtszeit einen Repräsentanten wählen kann, und es somit seine einzige Chance bleibt, direkten Einfluss auf das politische System zu nehmen. Der Volksentscheid kann als Instrument dazu dienen, das Vertrauen in die Politik seitens der Wähler zu stärken. Wird z.B. mittels eines Volksentscheid über eine Gesetzesvorlage entschieden, so ist der Wähler nicht mehr auf die Ansichten seiner Repräsentanten gebunden, sondern kann in freier Überzeugung direkt auf einen politischen Sachverhalt Einfluss nehmen. Das Vertrauen dass dadurch Zustande kommt, dass das Volk als Teil des politischen Prozesses fungiert, kann durch das Instrument des Volksentscheides gestärkt werden.

    (Argument 1b)

    Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass durch die aktive Teilnahme der Gesellschaft am politischen Prozess mittels der Bürgerbeteiligung das politische Verständnis der Bürger gestärkt wird. Der Volksentscheid kann dann erheblich zur Verbesserung der politischen Bildung des Wähler beitragen, wenn in seinem Sachverhalt elementare Verfassungsprinzipien erörtert werden müssen. Wird zu einer grundlegenden Verfassungsänderung, wie z.B. bei der Föderalismusreform der Großen Koalition unter Angela Merkel geschehen, in welcher es darum ging, inwieweit die Kompetenz der Länder in die bundesstaatliche Gesetzgebung Einfluss nehmen kann, ein Volksentscheid hinzugezogen, so könnte dieser die Staatsbürger insofern bilden, als dass sich diese mit einem der wichtigsten Prinzipien der deutschen Verfassung, nämlich dem Föderalismus (Bundesstaatsprinzip), vertraut machen. Wir sehen also, dass der Volksentscheid durchaus positive Begleiterscheinungen in Hinsicht auf die politische Mündigkeit der Bürger haben kann. Aber auch aus politischer Sicht bestehen Vorteile durch die Einführung von einer direkten Bürgerbeteiligung.

    (Argument 2a)

    Regierungen können anhand der Volksentscheide und deren Ergebnissen ihr politisches Programm optimieren. Die Parteien sehen sich im Wahlkampf gezwungen, ein möglichst detailliertes Wahlprogramm zu verfassen, welches sie während der Legislaturperiode anstreben. Dass dies, auf Grund von sich verändernden Prioritäten in der Zukunft, sehr schwer zu erreichen ist, liegt auf der Hand. Volksentscheide können nun dafür genutzt werden, um eine politische Programmänderung auf deren Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft zu prüfen. Verändert sich z.B. auf Grund einer Studie das internationale Ranking des Bildungsniveaus des Landes, so könnte per Volksentscheid darüber entschieden werden, inwiefern Fördermittel umgeschichtet werden könnten. Die Regierung könnte also durch Volksentscheide ihr politisches Programm optimieren.

    (Argument 2b)

    Aber auch in Bezug auf die Verfassungsinhalte stellen plebiszitäre Elemente, also die Mitwirkung des Volkes am politischen Prozess, einen entscheidenden Vorteil dar. Das politische System der Bundesrepublik Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, dass eine horizontale Gewaltenteilung zwischen der Exekutive, Legislative und Judikative besteht. Als weiteres Element der Gewaltenteilung dient das Bundesstaatsprinzip (Föderalismus), nämlich die vertikale Gewaltenteilung welche die Kontrolle des Bundesstaates durch die einzelnen Länder vorsieht. Plebiszitäre Elemente wären vor allem dann eine sinnvolle Ergänzung, wenn die Regierung ebenfalls eine Mehrheit im Bundesrat besitzt. Wird z.B. ein umstrittenes Gesetz, wie z.B. das Gesetz zur Enteignung von Aktionären der Hypo Real Estate, auf Grund von einer Mehrheit im Bundesrat seitens der Regierungsparteien abgesegnet, so könnte die Opposition einen Volksentscheid über die Rechtmässigkeit des Enteignungsgesetzes beantragen. Das Gesetz zur Enteignung der Aktionäre erzeugt insofern bedenken, als dass dieses einen Angriff auf das Recht auf Privateigentum darstellt. Der Volksentscheid könnte hierbei als Instrument für umstrittene Gesetzentscheidungen fungieren.

    6 Mal editiert, zuletzt von Trent (8. Februar 2010 um 01:52)

  • Hallo, ich musste eine Erörterung zu folgender Aussage schreiben:

    "Die Demokratie, sagte Winston Churchill, sei eine sehr mangelhafte Staatsform. Es gebe nur keine bessere. Sie ist daher nicht ersetzbar. Eine direkte Bürgerbeteiligung wäre eine solche Verbesserung (...). Es ist eine Idee, deren Zeit reif ist."

    Diskutieren Sie diese Aussage.

    I. Es gibt nach meiner Erfahrung immer zwei Möglichkeiten einer Erörterung: 1) Ich nehme die vier Sätze als Gottes Eingebung an den Menschen, zeitlos und allgemein gültig, oder 2) ich nehme sie als ein Zitat einer geschichtlichen Persönlichkeit mit zukunftsweisender Bedeutung, aber gesagt in seiner Zeit und in seinem Kontext.

    Bei Nummer 1) kann ich den Text rein werkimmanent interpretieren und prüfe die ewige Wahrheit der Sätze von meinem Kontext aus. Das bedeutet, du überträgst sie in deine Gegenwart und die aktuelle politische Diskussion ("Seit einigen Jahren häufen sich die Volksentscheide zu politischen Fragen innerhalb der Bundesländer..." etc.).

    Oder 2) du gehst von der urpsrünglichen Bedeutung aus: Dann ist es Sir Winston Churchill, der englische Premierminister, bezogen auf die Demokratie des Vereinigten Königreiches als ältester Demokratie Europas, der konstitutionellen Monarchie, mit ihrem Mehrheitswahlrecht und den zwei parlamentarischen Kammern, in der Auseinandersetzung mit konkurrierenden Staatsformen, insbesondere dem Kommunismus und dem Faschismus (z.B. in Spanien) und der soeben erfolgten Überwindung totalitärer Staatsformen nach dem 2. Weltkrieg.

    Variation 1) ist durchaus möglich, aber nicht sachadäquat und völlig beliebig. Ein italienischer Schüler könnte dann irgendetwas zu Berlsuconi und den politischen Reformbemühungen in Italien schreiben. Das Thema wäre austauschbar und nur ein Aufhänger für irgendwelche Reflexionen des Schreibers. Variation 2) wird die Augen deines Lehrers zum Leuchten bringen, denn es entspricht einer historischen Betrachtung und einer dem Text angemessenen Umgangsweise. Dann kannst du allerdings nicht mit der Weimarer Republik anfangen - das ist weit hergeholt, sondern du musst wichtige Schlüsselbegriffe des Themas in dem ihm eigenen Kontext erläutern, angefangen bei Churchill!

    P.S.: "Direkte Bürgerbeteiligung" ist nicht dasselbe wie "Volksentscheid". Egal für welche der beiden Variationen du dich entscheidest, die wichtigen Schlüsselbegriffe (und "direkte Bürgerbeteiligung" gehört zweifelsohne dazu) müssen von dir in der Einleitung erläutert werden. Und wenn du nicht weißt, was das ist, dann musst du es selbst nachschlagen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCrgerbeteiligung

    II. Du machst gar keine Formanalyse. Bei jeder Gedicht- und sonstigen Interpretation ist das eine Selbstverständlichkeit. Warum hier nicht? Du bekommst vier kleine Sätze als Text, dann nimm sie doch einmal auseinander. Was ist das für eine Textgattung? Wie ist der Text aufgebaut? Was sind die typischen Inhalte dieser Gattung? Wie sind sie hier umgesetzt?
    Wenn du es nicht weißt, nachgucken: http://de.wikipedia.org/wiki/Aphorismus
    Danach wird das Herz deiner Lehrerin Luftsprünge machen und du wirst das Thema ganz anders einordnen können!

  • I... ich nehme sie als ein Zitat einer geschichtlichen Persönlichkeit mit zukunftsweisender Bedeutung, aber gesagt in seiner Zeit und in seinem Kontext.


    Oder 2) du gehst von der urpsrünglichen Bedeutung aus: Dann ist es Sir Winston Churchill, der englische Premierminister, bezogen auf die Demokratie des Vereinigten Königreiches als ältester Demokratie Europas, der konstitutionellen Monarchie, mit ihrem Mehrheitswahlrecht und den zwei parlamentarischen Kammern, in der Auseinandersetzung mit konkurrierenden Staatsformen, insbesondere dem Kommunismus und dem Faschismus (z.B. in Spanien) und der soeben erfolgten Überwindung totalitärer Staatsformen nach dem 2. Weltkrieg.

    Hallo, vielen dank für die Erläuterung.

    Ich hätte jetzt nur eine Frage.

    Das Zitat von Winston Churchill, das vorgegeben wurde, lässt ja an sich keinen Wiederspruch offen. Also nehme ich als Leser doch an, dass es sich um eine Tatsache handelt. Also dass Winston Churchill einst gesagt hat:

    Die Demokratie ist eine sehr mangelhafte Staatsform. Es gebe nur keine bessere. Sie ist daher nicht ersetzbar. Eine direkte Bürgerbeteiligung wäre eine solche Verbesserung (...). Es ist eine Idee, deren Zeit reif ist."

    Wenn ich nun diese Aussage erörtern und die Aussage in einem Kontext zu der Zeit, in welcher Churchill Premierminister war, stelle, so bewege ich mich dort doch offensichtlich auf einem Irrweg. Vorallem dann, wenn man nach der Quelle des Zitates suchen würde, und feststellt, dass Churchill die direkte Bürgerbeteiligung nie erwähnt hat. (Laut den Quellen die ich bisher gefunden habe = "Democracy is the worst form of government except for all those others that have been tried.")

    Das war dann letztendlich auch mein großes Problem in der Erörterung. Ich kannte zwar Churchill`s Zitat vorher nicht, oder besser gesagt wusste ich nicht das er derjenige war, der das so gesagt hat, aber verstand die Aussage nicht als zusammenhängend. Ich war der Meinung, das die Stelle des Zitates "... Eine direkte Bürgerbeteiligung wäre eine solche Verbesserung (...). Es ist eine Idee, deren Zeit reif ist." nicht von Winston Churchill ist, sondern von unbekannt angehangen wurde.

    Für mich hätte es auch keinen Sinn gegeben, dass Churchill dies so formuliert hätte, da er doch zu Zeiten des zweiten Weltkrieges selbst mit ansah, wie ein plebiszitäres System unterging.

    Der ganze Zusammenhang ist für mich persönlich schon so unschlüssig, was eben dazu führte, dass ich auf Winston Churchill garnicht eingegangen bin.

    Auf jeden Fall vielen dank für die ausführliche Antwort. Sie hat mir sehr geholfen, und ich werde wohl über das eine Thema nun statt nur einer, gleich zwei Erörterungen verfassen.

    grüße

    2 Mal editiert, zuletzt von Trent (8. Februar 2010 um 16:18)

  • Das Zitat von Winston Churchill, das vorgegeben wurde, lässt ja an sich keinen Wiederspruch offen. Also nehme ich als Leser doch an, dass es sich um eine Tatsache handelt.

    Warum das so wirkt, hat etwas mit der Textgattung des Aphorismus zu tun. Ich denke, du hast den Wikipedia-Artikel inzwischen gelesen: "Durch ihre Kürze wirken sie auf manche Leser apodiktisch" -> "Eine apodiktische Aussage ist eine Aussage, deren Gegenteil unmöglich wahr sein kann, da der Beweisgrund eine allgemein anerkannte unumstößliche Wahrheit ist..." usw. Die apodiktische Aussage wird hier dadurch unterstützt, dass kein Datum und keine Quelle angegeben wird. Dadurch wirkt sie zeitlos und universal gültig. Nur der Verfasser wird (mit Absicht) genannt. Das würde ich an deiner Stelle alles aufschreiben und erörtern.

    P.S.: Es heißt natürlich "Widerspruch" ;)

    Zitat

    dann letztendlich auch mein großes Problem in der Erörterung. Ich kannte zwar Churchill`s Zitat vorher nicht, oder besser gesagt wusste ich nicht das er derjenige war, der das so gesagt hat, aber verstand die Aussage nicht als zusammenhängend. Ich war der Meinung, das die Stelle des Zitates "... Eine direkte Bürgerbeteiligung wäre eine solche Verbesserung (...). Es ist eine Idee, deren Zeit reif ist." nicht von Winston Churchill ist, sondern von unbekannt angehangen wurde.

    Ich dachte, das hättest du gar nicht bemerkt. Natürlich fällt sofort auf, dass der Aphorismus im Grunde nach den drei Sätzen hier zu Ende ist:
    "Die Demokratie, sagte Winston Churchill, sei eine sehr mangelhafte Staatsform. Es gebe nur keine bessere. Sie ist daher nicht ersetzbar."
    Die Verbesserung klingt wie ein Nachtrag. Das würde ich in der Formanalyse alles aufschreiben (bis hin zu den Satzzeichen [...]) und auch gesondert erörtern.

    Dazu passt das Zitat, das du gefunden hast (würde ich auch mit anführen, und auch mit Vermutung, warum es so viel zitiert wird). Ich glaube aber, dass mit dem Thema deiner Erörterung ein anderes Zitat wiedergegeben wurde.

    Zitat

    Für mich hätte es auch keinen Sinn gegeben, dass Churchill dies so formuliert hätte, da er doch zu Zeiten des zweiten Weltkrieges selbst mit ansah, wie ein plebiszitäres System unterging.


    Ich denke, für Churchill haben die demokratischen Länder über die faschistischen gesiegt, wobei die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus noch anstand.