Textvergleich
Vergleichen Sie die nachfolgenden beiden Dramentexte und beantworten Sie
diese Fragen:
a) Mit welchen modernen bzw. aktuellen Themen befassen sich die beiden
Auszüge?
b) Wie schlägt sich die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen
und Themen in Sprache und Wortwahl nieder?
Nennen Sie einige Ausdrücke und Formulierungen, die für die jeweilige
Szene kennzeichnend sind und begründen Sie Ihre Wahl.
URS WIDMER, TOP DOGS
2. Heute sind wieder die Churchills gefragt
BIHLER Chefpose: Herr Tschudi. Danke, daß Sie gleich rüberkommen konnten. Ich kenne ja
Ihren Terminkalender. Ein, zwei Minuten nur. Wir redimensionieren das Management. Sie waren
ja selber am Konzept beteiligt und haben ihm zugestimmt. Ich habe jetzt von jedem meiner Mitarbeiter
auf der mittleren und höheren Managementebene eine Leistungsanalyse erstellen lassen.
Kinley and Finley, Sie haben sich ja mit den Herren unterhalten. Die sind zum Schluß gekommen,
daß Sie sich zu sehr auf Ihren Lorbeeren ausruhen, Tschudi. Natürlich haben Sie Leistung
erbracht. Selbstverständlich. Aber Lorbeeren gehören auf den Kopf, in die Suppe vielleicht, aber
nicht unter den Hintern. Ich muß mich auf den Ersten Dritten von Ihnen trennen.
TSCHUDI Aber wieso, ich habe doch immer …
BIHLER Es ist vorbei mit den fetten Jahren. Da haben wir gerade im Management großzügig
eingekauft. Auf Halde sozusagen, nur für den Fall, daß. Und damit die Konkurrenz die nicht
kriegt. Leute mit dreihunderttausend per annum und einem Output von plus minus Null. Jetzt
sitzen wir mit einem Überhang an Managern da. Die Schweiz ist keine Insel der Seligen mehr.
Jetzt bläst auch bei uns ein kalter Wind. Wir müssen ein g l o b a l p l a y e r sein, oder die
Konkurrenz dreht uns die Luft ab. Wir sind nicht mehr 1980. Wo soll ich einen wie Sie einsetzen,
Tschudi, in diesem neuen Klima, das ja schon weit härtere Burschen schier umbringt. Jüngere.
Sagen Sie doch selbst.
TSCHUDI Einer in meinem Alter hat ein Know-how, das nicht so leicht …
BIHLER Im Krieg brauche ich andere Männer als im Frieden. Heute brauche ich Generäle, die
als allererste in den Dschungel gehen. Die draufhalten können. Heute gibt es echte Tote. Sie
müssen mit dem Flammenwerfer in die Konkurrenz rein und sie ausräuchern. Sonst sind
S i e dran. Churchill war im Frieden eine Niete. Aber im Krieg war er ein As. Heute sind
wieder die Churchills gefragt.7
7 Urs Widmer, „Top Dogs“, in: Spectaculum 64. Vier modene Theaterstücke. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997, S. 221f.
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WERNER FRITSCH, ES GIBT KEINE SÜNDE IM SÜDEN DES HERZENS
Rock-Rollstuhl
HÄCKSLER Früher ohne Führerschein mit der NSU,
das Liebchen im Sozius
durch Auschowitz gerauscht!
Und wie der Blitz durch Marienbad!
Im Alter dann zwei Stecken gebraucht zum Gehen.
Aber neuerdings mir einen elektrischen Stuhl gerichtet
zum Herumsurren in der Stadt.
Brauch ich nicht einmal mehr meinen Ruderstuhl,
wo ich nehm zum Ausfliegen am Sonntag.
Und gleich geflogen nach dem Anker über den Zebrastreifen.
Die König Maria im roten Rock noch flugs gegrüßt
und mir nichts dir nichts gegen die Murschrottkapelle geprellt.
Die Heiligen können ein wenig gewackelt haben.
Aber ich gestanden wie ein Fels im Verkehr dagegen.
WENZEL Du Windbeutel, du windiger.
HÄCKSLER Die Wahrheit wird man ja noch sagen dürfen!
WENZEL Gewiß kein Augenzeuge!
HÄCKSLER Gewiß! Gewiß!
Bloß blind geworden vor Schreck!
WENZEL Dein Ding geht nie im Leben schnell genug,
daß es zu so einem Fall kommen kann.
Zu so einem Unfall.
HÄCKSLER Brauch bloß einen Rock sehen, einen roten!
Schon kommt mein Rollstuhl mords in Fahrt.
WENZEL Ich kann von so einem Ding gehört haben.
Von so einem Rock-Rollstuhl.
HÄCKSLER Weiber! Weiber! Weiber!
Zieht an seiner Zigarette.
Und jetzt mir noch von der Quelle
eine Busenhalterbrille schicken lassen!
Kann ich durch die Stadt rasen
mit Lederhaube und Busenhalterbrille
und durch alle Blusen sehen!
WENZEL So?! Was sieht man durch die Brille scharf?
HÄCKSLER Weiber! Weiber! Weiber!
Solang es Hügel gibt über Herzen,
kann uns Tod und Herrgottzeug kreuzweis!
Zieht an seiner Zigarette.
Und gibt es eine Neue bereits?
Wenzel zuckt zusammen.
Durchschaut. Durchschaut.
Es gibt eine neue Braut!
Hat sie mich bereits gesehen?
Zieht an seiner Zigarette.
Gewiß nicht, sonst tät sie längst in Flammen stehen!8
8 Werner Fritsch, „Es gibt keine Sünde im Süden des Herzens“, in: Spectaculum 64. Vier moderne Theaterstücke. Frankfurt am Main:
Suhrkamp Verlag, 1997, S.15f.
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